Großbritannien prüft Berichte über Chemiewaffeneinsatz in Mariupol
Großbritannien versucht, Berichte zu verifizieren, wonach Russland bei einem Angriff auf die belagerte ukrainische Stadt Mariupol chemische Waffen eingesetzt haben soll. "Es gibt Berichte, dass die russischen Streitkräfte bei einem Angriff auf die Bevölkerung von Mariupol chemische Kampfstoffe eingesetzt haben könnten", schrieb Außenministerin Liz Truss am Montagabend auf Twitter. "Wir arbeiten dringend mit Partnern zusammen, um die Details zu überprüfen."
"Jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine gefühllose Eskalation in diesem Konflikt, und wir werden Putin und sein Regime zur Rechenschaft ziehen", schrieb Truss weiter.
Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte am Montagabend, Washington habe unbestätigte Informationen über einen Chemiewaffenangriff in der strategisch wichtigen Stadt. "Wenn diese Informationen wahr sind, sind sie sehr besorgniserregend", sagte er. Er verwies auf "Bedenken" des US-Militärs, dass Russland "verschiedene Mittel zur Krawallbekämpfung, insbesondere Tränengas gemischt mit chemischen Kampfstoffen, in der Ukraine einsetzen könnte".
Die ukrainische Abgeordnete Iwanna Klympusch hatte auf Twitter erklärt, Russland habe in Mariupol eine "unbekannte Substanz" eingesetzt und die Menschen litten an Atemnot. "Wahrscheinlich Chemiewaffen!", schrieb sie.
Petro Andryuschtschenko, ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol, betonte auf Telegram, dass "die Informationen über den Chemiewaffenangriff derzeit nicht bestätigt sind". "Details und Klarstellungen" wurden zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Er warte auf "offizielle Informationen vom Militär".
Das ukrainische Asow-Bataillon, das in Mariupol kämpft, hatte am Montag auf Telegram erklärt, eine russische Drohne habe eine "giftige Substanz" auf ukrainische Truppen und Zivilisten abgeworfen. Betroffene hätten danach unter Atemproblemen und neurologischen Problemen gelitten. Batallionsgründer Andrej Biletsky sagte in einer Videobotschaft: "Drei Menschen haben deutliche Anzeichen einer Vergiftung durch Kriegschemikalien, aber ohne katastrophale Folgen." AFP konnte die Angaben nicht verifizieren.
Der Vertreter der in Mariupol kämpfenden pro-russischen Separatisten, Eduard Basurin, hatte am Montag die Möglichkeit eines Chemiewaffeneinsatzes in der Stadt angesprochen. Demnach könnten die Separatisten sich "an chemische Truppen wenden, die einen Weg finden werden, die Maulwürfe in ihren Löchern auszuräuchern", zitierte ihn die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti.
Knapp sieben Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine steht die wichtige Hafenstadt Mariupol offenbar vor dem Fall: Die verbliebenen ukrainischen Truppen in der Stadt erklärten am Montag, sie bereiteten sich auf die "letzte Schlacht" vor, pro-russische Separatisten aus der Region Donezk meldeten die Einnahme des Hafens von Mariupol.
Nach dem Rückzug seiner Truppen aus der Region Kiew hatte Russland angekündigt, den militärischen Fokus verstärkt auf den Donbass zu richten. Ziel Moskaus ist laut Experten die Errichtung einer direkten Landverbindung zwischen der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in den Regionen Luhansk und Donezk. Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol gilt dabei als strategisch entscheidend.
Mariupol wird seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar von der russischen Armee belagert. Inzwischen ist die einst 400.000 Einwohner zählende Stadt weitgehend zerstört, die humanitäre Lage katastrophal. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einer Videoansprache vor dem südkoreanischen Parlament von "mindestens zehntausenden" Toten durch die russische Belagerung Mariupols.
D.Nielsen--RTC