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Ultrarechter Kawelaschwili in Georgien zum Präsident gewählt - Protest in Tiflis
Ultrarechter Kawelaschwili in Georgien zum Präsident gewählt - Protest in Tiflis / Foto: Vano SHLAMOV - AFP

Ultrarechter Kawelaschwili in Georgien zum Präsident gewählt - Protest in Tiflis

Ungeachtet anhaltender pro-europäischer Proteste in Georgien hat die Wahlversammlung den Kandidaten der Regierungspartei Georgischer Traum, den ultrarechten Micheil Kawelaschwili, zum neuen Präsidenten gewählt. Das von der Opposition boykottierte Gremium sprach sich am Samstag mit 224 Stimmen für eine fünfjährige Amtszeit Kawelaschwilis als Staatschef aus. Während der Abstimmung demonstrierten vor dem Parlament in Tiflis hunderte Menschen gegen die Wahl des ehemaligen Fußballprofis.

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"Wir protestieren hier seit 16 Tagen und wir werden weiter für unsere europäische Zukunft kämpfen", sagte die 40-jährige Demonstrantin Natia Apchasawa. "Unsere Parlamentswahl wurde gefälscht. Wir brauchen Neuwahlen", forderte sie. Die Protestierenden vor dem Parlament schenkten in der Kälte Tee aus, neben ihnen standen Wasserwerfer bereit, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten.

Für Samstag waren Proteste an mehreren Orten in Tiflis geplant. Bereits am Freitag hatten erneut tausende Regierungsgegner demonstriert, Ausschreitungen wie bei vorherigen Protesten blieben aus. Die jüngste Welle dieser pro-europäischen Proteste war Ende November durch die Ankündigung der Regierung ausgelöst worden, den angestrebten EU-Beitritt Georgiens bis 2028 zurückzustellen.

In den vergangenen zwei Wochen wurden laut der Nichtregierungsorganisation Social Justice Centre bei den Demonstrationen mehr als 400 Menschen festgenommen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beschuldigte die Einsatzkräfte, "brutale Zerstreuungstaktiken, willkürliche Verhaftungen und Folter" eingesetzt zu haben. Es kam zu Razzien in Büros von Oppositionspartien, mehrere Anführer von Oppositionsparteien wurden festgenommen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), bezeichnete die Wahl von Kawelaschwili zum neuen Präsidenten am Samstag im Onlinedienst X als "einen weiteren Schritt zur 'Gleichschaltung' aller verfassungsmäßigen Institutionen in Georgien". "Die Regierungspartei vertieft die Spaltung von Georgien, plant einen Putsch und will die liberale Demokratie zerstören", schrieb er auf Englisch.

Das georgische Staatsoberhaupt wird aufgrund einer 2017 unter dem Druck des Georgischen Traums verabschiedeten Verfassungsänderung nicht mehr wie bisher direkt vom Volk gewählt, sondern von einer 300-köpfigen Wahlversammlung aus Parlamentsabgeordneten und Lokalpolitikern. Die Opposition boykottierte die Abstimmung und bezeichnete diese als "illegitim". Da sie das Ergebnis der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl von Ende Oktober nicht anerkennt, nehmen ihre Abgeordneten nicht an der Arbeit des Parlaments teil.

Präsidentin Salome Surabischwili bleibe die legitime Präsidentin des Landes, erklärten Oppositionsparteien. Die pro-europäische Politikerin selbst sagte, sie werde nicht zurücktreten und bezeichnete die Präsidentenwahl als "Parodie". Surabischwili hatte bereits zuvor Neuwahlen gefordert. Für viele der seit Wochen protestierenden Regierungsgegner gilt sie als Garantin für eine Hinwendung Georgiens zur EU.

Kawelaschwili hingegen ist für seine vehementen anti-westlichen Tiraden bekannt und als Gegner von LGBTQ-Rechten. Der 53-Jährige soll das Präsidentenamt, das in Georgien weitestgehend zeremoniellen Charakter hat, am 29. Dezember offiziell übernehmen. Die Regierungsgegner sehen in ihm eine Marionette des russlandfreundlichen Milliardärs Bidsina Iwanischwili, Gründer und Ehrenvorsitzender des Georgischen Traums, der die Partei immer noch kontrolliert.

Beobachter rechnen angesichts der Weigerung von Surabischwili, zurückzutreten, mit einer weiteren Verschärfung der politischen Krise in Georgien. "Georgien steht vor einer beisspiellosen Verfassungkrise", sagte Wachtang Chmaladse, einer der Ko-Autoren der Verfassung des Kaukasuslandes. Seiner Einschätzung nach sind alle Entscheidungen des Parlaments ungültig, da die Mandate der Abgeordneten bestätigt worden waren, bevor eine Gerichtsentscheidung zu einer von Surabischwili eingereichten Klage gegen das Wahlergebnis vorlag.

W.Janssens--RTC