Sachverständige beklagen Hürden für bestimmte Bevölkerungsgruppen beim Ehrenamt
Armut, Einwanderungsgeschichte oder Behinderung: Es gibt viele Faktoren, die Menschen in Deutschland davon abhalten können, sich ehrenamtlich zu engagieren. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Engagementbericht, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Der von einer unabhängigen Sachverständigenkommission erstellte Bericht hält "gewaltige Anstrengungen" für nötig, um allen gesellschaftlichen Gruppen "gleiche Zugangschancen zum Engagement" zu eröffnen.
Die Erstellung des Engagementberichts geht auf einen Bundestagsbeschluss zurück, wonach die Regierung einmal pro Legislaturperiode die Lage des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland beleuchten muss. Die Untersuchungen haben jeweils verschiedene Schwerpunkte. In dem am Mittwoch veröffentlichten vierten Bericht geht es um die Frage, wer es besonders schwer hat, sich freiwillig zu engagieren, und warum.
Die Kommission stellt in dem mehr als 200 Seiten langen Dokument insgesamt 13 Schwellen heraus, "über die soziale Ungleichheit auf sehr verschiedenen Ebenen im Engagement reproduziert wird". Dazu gehören etwa mangelnde finanzielle und zeitliche Ressourcen sowie "Diskriminierung bei der Ansprache für ein Engagement" und fehlende für alle Menschen nutzbare Infrastruktur, etwa Räumlichkeiten.
Weitere Faktoren sind dem Bericht zufolge "offene Bedrohung und Gewalt" sowie bürokratische Anforderungen. "Und schließlich stellt die ungleich verteilte Sichtbarkeit und Anerkennung insbesondere für informelles Engagement eine spezifische Schwelle dar", heißt es weiter.
"Ungleiche Zugangschancen zum Engagement sind in mehrfacher Hinsicht problematisch", betonen die Sachverständigen. Zum einen widerspreche es schlicht demokratischen Werten, "wenn an der gemeinsamen Formulierung und Umsetzung von Interessen sowie bei der konkreten Mitgestaltung von Gesellschaft" nicht alle sozialen Gruppen gleichermaßen teilnehmen können.
Außerdem hätten Studien gezeigt, dass Engagement zu höheren Einkommen führe. "Soziale Netzwerke, Kompetenzerwerb etwa in Leitungsfunktionen, Prestige und Anerkennung sind nur einige der individuellen Vorteile, die im Engagement erworben werden können und die zusammengenommen zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheit beitragen."
Es sei somit "dringender Handlungsbedarf zu konstatieren", urteilen die Sachverständigen. Um gleiche Zugangschancen aller sozialer Gruppen zum freiwilligen Engagement zu erreichen, "muss eine Vielzahl von Schwellen auf verschiedenen Ebenen betrachtet und bearbeitet werden". Hierzu seien "gewaltige Anstrengungen über einen langen Zeitraum notwendig".
Dazu gehöre eine "sichere, langfristige und auskömmliche Finanzierung der verschiedenen beteiligten Organisationen", heißt es weiter. Bestehende Förderungsstrukturen auf Bundes- und Länderebene müssten "nachhaltig stabilisiert und ausgebaut werden".
W.Janssens--RTC